
May 01 @ 19:30 – 22:30
Nduduzo Makhathini
Nduduzo Makhathini – Piano, Vocals
Omagugu – Vocals
Tsepo Pooe – Violoncello
Lukmil Perez – Schlagzeug
Jakob Sørensen – Trompete und Flügelhorn
Sophie Ribstein – Harfe
Dalisu Ndlazi – Kontrabass
nduduzomakhathini
Nach dem, was er während des Konzerts dem Publikum zu erklären versuchte, gibt es ein IN der Musik und ein ÜBER die Musik – trotzdem höre ich beim Verlassen des Saals mehr ein ÜBER die Musik als ein IN der Musik : ich hätte mich gern umgedreht und ihnen den Unterschied zwischen IN der Musik und ÜBER die Musik entlockt – wir hier, die wir über alles Bescheid zu wissen glauben und nie IN eine Sache einzutauchen wagen oder IN ihr zu verschwinden – wenigstens für die Dauer eines Konzerts
Er erzählte von seiner Grandma, die inzwischen zu einer universalen Erinnerung wird. Er erzählte von Vergebung und Scham. Er erzählte von der Essenz IN der Musik. Man sah sein breites Lächeln die ganze Bühne wiederholt anstecken : neben mir hörte ich es murmeln: klingt wie von der Platte – ganz mein Geschmack, offenbar eine Aussage darüber, dass auch mein Nachbar IN der Musik war.
Er betonte seine Wurzeln, die tief verwachsenen, dem Zulustamm zugeordnet, modern Denkende würden erwarten, dass er diesen Wurzeln entwachsen sei, quasi entkommen, nein, er betont seine Verbundenheit IN der Kultur der Zulu.
Es gab in den späten Neunzigern einen Aufarbeitungsversuch der schamvoll besetzten Geschiche Süd Afrikas und offenbar einen Derrida Eklat zum Thema, was man so als Eklat bezeichnen kann in Kreisen, denen jede schiefe Tonlage wie ein krummes Bild auf wohldosierte Nuancen erscheint – er sprach ausführlich von Gleichbehandlung und Gleichberechtigung der Frauen im Kontext der Hierarchien – und: im Englischen ist das Gendern, im Deutschen bald ein Widerwort : die Gefahren werden sichtbar: Ungleichbehandlung zieht seine Kreise, obwohl alles gerechter und besser werden sollte
Während der Pause stand ich draußen auf der Französischen Straße, es begegnete mir eine Frau, die geradeben der Oper entkommen war und wunderte sich über den Menschenauflauf vor dem Boulez Saal, sie müsse zu ihrer Schande gestehen, dass sie noch nie im Boulez Saal war, aber von großen Konzerten gehört habe und von seinem Cross-Over-Programm, wie sie sagte, ja, sagte ich, das hier ist heute ein Jazzabend eines Süd Afrikanischen Pianisten, das berührt mich zutiefst, da ich meine Kindheit in Süd Afrika verbrachte : allein dieser in Rot getauchte Saal – ein architektonisches Meisterwerk : darin spielen gerade ganz große Musiker und Musikerinnen ihr eigenes Meisterwerk, das der Pianist bescheiden Suite nennt. Muss ich auch mal rein, sagte sie, freut mich, dass sie so begeistert sind – sie zog davon, ich hinein, zum zweiten Set, meine englischen Nachbarn kamen nicht wieder, aber Nduzo freute sich über die, die wiederkamen, in diese familiäre Einheit um sein ovales Zentrum, auch der Sound, die Akustik sehr angenehm, das Leise hat sein Innen, das Laute oder Exaltierte wagten sie nicht einmal, es kamen auch die Trommeleinlagen Schlag für Schlag oder Berührung für Berührumg hautnah : und drüben saß Nduzo und freute sich wie ein Kind : so ein freudiges Lachen während des hochkonzentrierten Zusammenspiels – habe ich nicht in Erinnerung
Die Erinnerung an die Grandma : wir sind die Materie auf Durchreise ins All, so ähnlich spürte ich es auch, nicht die Logik der Materie ÜBER Musik, sonden die Erinnerung, das Baucherleben oder Miteinander IN der Musik : ich hätte gut und gern zwei weitere Stunden zuhören und ein- wie wegtauchen können : und alles mitnehmen, den Saal, das Publikum, die Musizierenden : ein magischer Abend voll der angenehmeren Energie in dieser Zeit der unangenehmen Tatsachen -?
Das Gespräch ÜBER die Musik führen wir trotzdem weiter – denn gleich am nächsten Morgen: TELEFON und auch : die Aufnahme In the Spirit of Ntu kam dem Geschehen noch am nächsten – bei nochmaligem Hören aber spüre ich: das war so noch nicht zu hören, die Mikrophone so nah an den Instrumenten lassen mich hoffen, dass sie das mitgeschnitten haben : und wenn ja, können wir uns auf etwas Großes gefasst machen : wieder einmal aus dem Boulez Saal : was so gehört in Erinnerung bleibt, auch wenn die Tatsache, dass alles im All verschwindet, schon mal an den Rand der Wahrnehmung treibt.
! Hommage !
Ganz vergessen: McCoy Tyner und Dollar Brand Abdullah Ibrahim waren deutlich hörbar mit im Saal, ich meine sogar die Hymne Mannenberg rausgehört zu haben. (Grenzbereich der Klischees) auch: Charisma ist bisweilen ein guter Partner, davon hat Nduduzo Makhathini einiges mitgebracht.
Nduduzo Makhathini
Pierre Boulez Saal
Französische Straße 33d
Berlin, 10117
Alle Angaben ohne Gewähr