Zwischen Ritual und Aufbruch
Rites & Revelations ist ein Album der Übergänge, der Wandlungsfähigkeit von Formen, der Verwicklung und Verstetigung von Altem zu Neuem – und umgekehrt. Keltische Mythen treffen auf jazzverwandte Improvisationskunst, zeitgenössische Kompositionslogik wird mit archaischen Motiven verwoben. Rites & Revelations – das bedeutet so viel wie: Riten und Offenbarungen.
veröffentlicht am17. Oktober 2025
Laura Jurd – Trompete / Bandleaderin
Ultan O’Brien – Violine & Viola
Martin Green – Akkordeon
Ruth Goller – E-Bass (electric bass)
Corrie Dick – Schlagzeug (Drums)
Tara Cunningham – Gitarre

von Laura Jurd
Mit Rites & Revelations legt die Trompeterin, Komponistin und Bandleaderin Laura Jurd ein Werk vor, das gleichermaßen erdet und aufbricht. UK Jazz News hat das Album bereits gefeiert – aus Berliner Sicht bleibt kaum noch etwas hinzuzufügen, außer vielleicht: Mit Ruth Goller wirkt hier eine Musikerin mit, die auch in Berlin eindrucksvoll Spuren hinterlassen hat.
Diese Musik lebt von einer seltenen Kombination aus Impulsivität, Unmittelbarkeit und kompositorischer Klarheit. Jurd scheint keine Angst zu haben, Klangräume aufzureißen, die an archaische britische Folk-Mythen erinnern – rituell, manchmal trancehaft – und gleichzeitig rohe, ungezügelte Energie zulassen, die an Led Zeppelin oder frühe Prog-Momente denken lässt. Es ist kein Mut, sondern Konsequenz: eine innere Logik, die über das reine Stilbewusstsein hinausreicht.
Rites & Revelations ist ein überaus vielschichtiges Album. Es oszilliert zwischen Jazz, Folk und Avantgarde, ohne sich dauerhaft in einem Bereich niederzulassen. Keltische Motive durchziehen die Stücke, doch sie werden nicht museal ausgestellt – sie werden transformiert, gebrochen, in neue Zusammenhänge gesetzt. Jurd schreitet Genregrenzen entlang, als wäre es das Einfachste der Welt.
Wer glaubte, mit The Big Friendly Album sei ein Schlusspunkt in Jurds Erkundung schottischer Folklore im Spannungsfeld mit modernem Jazz gesetzt, kann nach der mehrjährigen Pause erleichtert feststellen, dass sie mit Musik zurückkehrt, die nach Innehalten und Neuorientierung zugleich klingt – nach einer Sammlung, aus der sich überraschend neue Klarheit entfaltet.
Dass sich in diesem Ensemble Persönlichkeiten wie Ultan O’Brien (Violine/Viola), Martin Green (Akkordeon), Ruth Goller (E-Bass) und Corrie Dick (Schlagzeug) treffen, ist mehr als eine instrumentale Besetzungsliste – es ist eine klangliche Allianz. Die Kombination von Violine, Akkordeon und Trompete erzeugt einen offenen Sound, der weder Kammermusik noch Jazzcombo ist, sondern etwas Drittes: ein ritualisiertes Klangtheater von faszinierender Intensität.
Bemerkenswert ist zudem, wie fruchtbar es ist, Tradition und Modernität nicht gegeneinander auszuspielen. Wird das eine überbetont, wirkt es repetitiv; wird das andere losgelöst gedacht, erkaltet es. Jurd schafft es, aus dieser Polarität einen produktiven Strom zu machen. Hier darf das Publikum staunen – und Musizierende können noch lernen.
Rites & Revelations ist damit mehr als ein stilistisch offenes Werk. Es ist ein Statement über die Möglichkeiten des zeitgenössischen Jazz – und über die Kunst, in der eigenen Herkunft kein Hindernis, sondern ein Resonanzfeld zu sehen.

von Laura Jurd
Laura Jurd – cornet / piano
Martin Lee Thomson – euphonium
Danielle Price – tuba
Alex Haines – guitar
Ruth Goller – bass
Corrie Dick – drums
2022

von Dinosaur
Laura Jurd trumpet
Elliot Galvin piano
Conor Chaplin double bass
Corrie Dick drums
2020

John Turney lobt die Kompositionen von Jurd, insbesondere die Stücke Praying Mantis und What Are You Running Toward?, und bezeichnet die Interpretation von St James Infirmary als emotional eindrucksvoll. Er sieht das Album als eine Rückbesinnung auf die Grundlagen ihrer Musik, die an ihr früheres Werk Human Spirit erinnert. Jon Turney UKJazzNews
Mike Gates beschreibt das Album als mutige, eigenwillige Rückkehr, die sowohl geerdet als auch glorreich entfesselt wirkt. Er betont die Verschmelzung von Jazz und Folk, die das Album prägt, und hebt die rohen, organischen Texturen hervor, die durch die Live-Aufnahmen mit minimalen Overdubs entstehen. Gates lobt die Zusammenarbeit mit Folk-Musikern wie Ultan O’Brien (Violine) und Martin Green (Akkordeon) sowie die rhythmische Basis von Corrie Dick und Ruth Goller. Er hebt besonders die Neuinterpretation von St James Infirmary hervor, die als kaum fassbare, einnehmende Performance beschrieben wird. ukvibe.org
Die Rezension von One Jazz beschreibt das Album als eine Sammlung von Geschichten, die Jurd schon immer erzählen wollte. Es wird hervorgehoben, dass das Album ihre Leidenschaften für Folk und Jazz vereint und dabei Elemente ihrer früheren Arbeit mit der Band Dinosaur aufgreift. Die Besetzung mit Corrie Dick, Ruth Goller, Ultan O’Brien und Martin Green wird als muskelbepackte Rhythmussektion beschrieben, die das Fundament des Albums bildet. onejazz.net