Gunter Hampel Heartplants
1965 – Jazz Albums Review Germany
Heartplants (SABA 1964/65, Gunter Hampel (sax) (vib), (mit Manfred Schoof (tp), Alexander von Schlippenbach (p), Buschi Niebergall (b), Pierre Courbois (dr))
Es ist eine Krux mit dem Jazz – in der Regel spielen alte Bekannte und alles applaudiert, niemand sieht die noch nicht Bekannten: trotzdem tauchen sie hin und wieder auf – und ab, einige machen dann, was Gunter Hampel gelungen ist: sie brennen sich ins Gedächtnis ein, obwohl sie für damalige Zeiten durchaus ambitioniert waren, ja, für deutsche Verhältnisse überseetauglich: stelle mir vor, wie er 1965 auf die Bühne trat, und es vielleicht zwanzig waren, die zuhörten – ich würde es gern erleben wollen, allein, da war ich noch zu jung mit einem bisschen Beethoven im Bauch.
Jetzt, fast 60 Jahre später höre ich Gunter Hampel und bin erstaunt, wie lebendig das klingt, wie zeitlos, wie klar. Trotzdem ist es Jazz, ja Oberklassenjazz.
Die Krux mit dem Jazz – wenn es gut klingen soll, musst du „was drauf“ haben, und hast du „was drauf“, entwickelst du eigene Dinge, die niemand versteht – oder sie rennen dir die Bude ein, weil sie es zu verstehen glauben.
Im Jazz der „frühen Republik“ ist jedenfalls zu spüren, dass sie es hier (D) denen dort (US) recht machen wollten – in Wikipedia ist zu lesen: „Die Platte Heartplants (1964) zählte zu den ersten Versuchen eigenständiger europäischer Jazzmusik.“
Abgesehen davon, ob das Mythen oder Legenden sind – hörst du dir die Aufnahme in Ruhe an und ohne Erwartungsdruck, es fällt auf: sie muss schon damals aufregend geklungen haben. Du hörst dir so manchen Freejazz dieser Tage an und vergleichst sie mit Heartplants, du kommst nicht umhin: das ist ohne Attitüde, aus sich selbst heraus – ohne Verrenkung – klar und noch immer einfach wundervoll.
Die Krux am Jazz: du musst hervorragend musizieren können, um standzuhalten in den Reihen der hervorragend Spielenden. So viel zur Frage an die Freiheit im Jazz (oder in der Musik im Allgemeinen) – ohne etwas drauf zu haben kannst du noch so sehr etwas anderes drauf haben – sie hören es sich erst an, wenn der oder die das oder jenes dazu gesagt hat – je nach Hörgewohnheit. Und da haben die mit der technischen Versiertheit klar einen Vorsprung.
Ein Reinheitsgebot hierfür gibt es nicht. So gesehen: es kann umgekehrt betrachtet nicht so schwer gewesen sein, ein paar „deutsche Jazzer“ bekannt zu machen – es gab immerhin technische Brillanz bei Kriegel, Mangelsdorff und hier: bei Gunter Hampel – während aber die mit der zugänglichen Melodie die Charts eroberten – die Krux am Jazz: das Erkennbare hat es leicht. Das Komplexe spricht sich nur unter der Hand herum. Und will auch gehört werden. So viel zur Freiheit. Die Freiheit auf hohem Niveau. – Die Freiheit unter sich zu bleiben. Oder um es mit Wolfram Knauer zu sagen: Play yourself, man!
Offenbar ist auch: man war mit wenigen dieser Namen „ganz gut aufgestellt“ und überließ es noch den Amerikanern und Briten. (Bedenke aber auch die Größenverhältnisse, New York Chicago London Paris und damals Frankfurt oder Köln)
Deswegen umso erstaunlicher diese Aufnahme aus dem Land von Beethoven (Bonn), Bach (Leipzig) und Brahms (Hamburg). – In dieser Platte von 1965 (!) wird ein Versprechen eingelöst: sie ist ernst zu nehmen, sie hat Anspruch und Aussage: eine eigene Spielart im Land von Bruch (Berlin, Leipzig), Hindemith (Zürich, Frankfurt) und Telemann (Eisenach, Frankfurt). Im Land von Doldinger, Gumpert und Herbolzheimer.
Die Faszination für technisch musikalische Fähigkeiten kann virtuos überzeugen, kann aber auch Rätsel aufgeben: wie das alles physisch möglich ist – in dieser Präzision und Dynamik über so viele Jahre – Gunter Hampel schaut auf eine Veröffentlichungsreihe von über 50 Alben zurück: spielt neben Vibraphon auch Saxophon und Flöte – das gesamte Who is Who der Jazzszenen von New York bis Frankfurt Berlin waren seine Spielpartner, ein eigenes Label hat er, plus Komponieren für Film und Fernsehen. Plus Familienleben … ein vielstimmiges Leben als Gesamtkunstwerk. Ein Meisterwerk.
Darum noch einmal der Hinweis auf diese herausragende Aufnahme von Gunter Hampel: Heartplants 1964/65.
Gunter Hampel Heartplants
Referenzen
Gunter Hampel Wikipedia, Manfred Schoof Wikipedia, Alexander von Schlippenbach Wikipedia, Buschi Niebergall Wikipedia, Pierre Coubois Wikipedia

Gerne verlinke ich auch auf meine Berlin Abteilung A-Z. Eine alphabetische Aufstellung vieler Musikerinnen und Musiker aus Berlin. Sicher nicht vollständig, ein Anfang aber ist gemacht.
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