Jazz Albums Turkey 2021
Jazz Albums Turkey 2021
Eine kleine aber feine Jazzszene heißt es, in Istanbul. Tatsächlich hast du je nachdem, welches Suchwort du verwendest, erst einmal das Gefühl, sie ist so klein und fein, sie erschließt sich dir nicht. Wollte schon abbiegen und es bei einer Erwähnung des Films Jazz in Turkey von Batu Akyol aus dem Jahr 2013 belassen.
Der Blick auf last.fm bietet folgende Musiker und Musikerinnen an. Verschiedene Suchmaschinen führen schließlich zur Jazzseite turkishjazz.org – und wie so häufig, öffnest du erst einmal die richtigen Türen, eröffnen sich dir Welten, hier eine Auflistung von über 360 Musikerinnen und Musikern. Viele Namen, die uns aus der Ferne betrachtet, unbekannt erscheinen, genau so wünschen wir uns das einmal. Ganz unvoreingenommen sich der Sache nähern.
Und gleich einmal eine Playlist erzeugen mit Beispielen – und siehe da. Erstaunliches eröffnet sich dir. Doch vorab erst ein Blick in die Historie: zu ergründen, was das originär Türkische ist, was dir auch in Berlin unterkommt, und du es immer als türkisch arabisch islamisch identifizierst. Zu lesen ist von zwei Musikrichtungen, dem ländlich volkstümlichen und der türkischen Kunstmusik, eine durch die osmanische Elite geprägte Musik mit eben arabischen persischen und indischen Spuren.
Du begegnest Oud, Tanbur, Ney, Kanun und Darbuka. Stößt auf religiöse Musik neben Janischarenmusik als Militärmusik osmanischer Sultane. Du siehst alevitische Musik als von reisenden Barden gespielte Lieder, Roma-Musiker spielen Fasil auf Zurna und Darbuka. Quasi Flöte mit Trommel.
Der Einfluss europäischer Musik setzt erst im späten 19.Jahrhundert ein, umgekehrt aber die orientalischen Klänge von Haydn, Beethoven und Mozart aufgenommen werden und was den Jazz betrifft, es Dave Brubeck war, der als Homage an Mozart und türkische Musik sein Blue Rondo a la Turk schrieb. Wie nun der Jazz nach Istanbul kam, keine Hinweise.
Hierzu greifen wir auf Dailysabah zurück: Jazz in Anatolian Lands: Turkish Musicians of sophisticated Genre. Und werden auf einen Artikel verwiesen, Remembering Ertegün on MLK Day: A musical civil liberties revolt – und erkennen den Atlantics Gründer Ahmet Ertegün, auch Gründer der New York Cosmos mit Pele, Beckenbauer und Neeskens. Von der Süddeutschen auch als Vater der Rolling Stones bezeichnet. Hierzu passend: „Jazz war unsere Waffe, unser Aktionismus“ von Yavuz Baydar ebenfalls für die Süddeutsche Zeitung.
Der erste Jazzclub der Türkei wurde in Istanbul in den späten 60igern eröffnet. Die erste Jazzaufnahme entsteht 1978, Zitat aus dem Artikel: „In 1978, pianist and saxophonist Tuna Ötenel, along with drummer Erol Pekcan and bass guitarist Kudret Öztoprak, released Turkey’s first jazz LP „Caz Semai.“ Also, the first international jazz festival in Turkey was held in Istanbul during the 1980s„
Die Namen dieser ersten Jazzdecade in Istanbul: Sevinç Tevs, Ayten Alpman, Rüçhan Çamay, Ilham Gencer, Önder Focan, Fatih Erkoç,
Gefolgt von Birsen Tezer, Kerem Görsev, Ferit Odman, Jehan Barbur, Elif Çağlar als Protagonistinnen des heute so genannten Contemporary Jazz – eine mehr als gute Orientierung für den Anfang.
Nachdem nun der Bogen geschlagen ist zwischen Volks-, Eliten-, Marschmusik von Arabeske über die türkische Popmusik zum Anadolu Rock, erkennen wir, dass die Stilfragen sich nicht zwingend um die Fragen nach einer türkischen Jazzmusik ausrichten, dazu sind sie in sich zu vielstimmig artikuliert. Das wiederum führt bei genauerem Hinsehen und Hinhören zwangsläufig zum Prädikat: nicht nur handelt es sich um eine „kleine“ Szene, sondern um eine reiche Szene (an Stilelementen) ja, um eine feine Szene mit so einigem Einfluss quer durch die Musikgeschichte.
Und: wusstest du, dass das A-Trane, einer der bekanntesten und renommiertesten Jazzclubs Berlins von Sedal Sardan seit 1997 betrieben wird? Der verhinderte Basketballspieler, der keine Ahnung vom Jazz hatte, aber so Größen wie Wynton Marsalis und Diana Krall in sein Wohnzimmer locken konnte. (Sic!)
Zu den Neuerscheinungen des Jahres 2021:
Jazz Albums Turkey 2021
Erkin Cavus & Reentko Dirks – Istanbul 1900 – from Dresden, Germany – Erkin Cavus (g), Reentko Dirks (g)
Atahan Çiftçi – Udgang Atahan Çiftçi (oud), Cemil Can Çolak (dr), Oğuz Alp Erdoğmuş (b)
Kolektiv Istanbul – Kismet – Talat Karağolu (cl), Richard Laniepce (sax), Tamer Karağolu (key), Ertan Şahin (sousa), Batuhan Baraç (dr)
Islandman – Godless Ceremony Overstand – Erdem Baser (g), Eralp Güven (perc), Tolga Böyükaber (synth) aber das ist doch kein jazz – nein, es ist technohouse, eletronics und ambient aus Istanbul, bitte ja. Eingängig, leicht gut konzipiert und trotzdem nicht unspannend. Anatolische Folksmusik trifft auf Trommeln aus dem Indischen genauso wie auf Blues Remixes mit Techno-Beat.
Islandman Refernz auf popmatters
Alp Ersönmez – Cereyanli – A – Ediz Hafızoğlu (dr), Can Çankaya (key), Çağrı Sertel (key), Can Şengün (g), Alp Ersönmez (b), Arto Tunçboyacıyan (perc), Engin Recepoğulları (sax), İlhan Erşahin (sax), Bulut Gülen (tromb), Doruk Gönentür (tp), İmer Demirer (tp), DJ Logic (turntables), Sibel Gürsoy (voc)
Cenk Erdogan – Ara Nağme – Cenk Erdoğan (yaylı tanbur), Adem Gülşen (p)
Esra Dalfidan – Counterpoint and Colors – aufgewachsen in Solingen, studiert in Amsterdam. Esra Dalfidan (voc), Tobias Klein (cl), Franz von Chossy (p), Sean Fasciani (b), Uli Genenger (dr) Aufnahmen von 2010
Esra Dalfidan Website
Yurdal Çağlar – Nomad – Yurdal Çağlar (g)
Kudsi Erguner – FRAGMENTS DES CEREMONIES SOUFIES – INVITATION A L’EXTASE – 2021 – Kudsi Erguner (ney) and artistic direction, Tristan Driessens (oud), Rıdvan Aydınlı, (voc), Abdurrahman Duzcan (voc), Burak Savaş (voc), Hakan Erkaraman (voc), Muhittin Kemal Temel (kanun), Ruben Tenenbaum (vio), Damla Aydın (ce), Robbe Kieckens (perc), Simon Leleux (perc)
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