Jazz Albums 2016
Jazz Albums 2016 – nicht nur Jazz
Das Jahr startete ECM mit Ben Monder, mit Ches Smith und mit Michel Benita, dem aus Algerien stammenden Bassisten. Wieder sind Mieko Miyzaki, Matthieu Michel, Eivind Aarset und Philippe Garcia mit von der Partie. Nimmt man die 2010 erschienene Aufnahme zum Maßstab, wird gleich ohrenfällig, dass Eivind Aarset diesmal vergleichsweise ruhig und hintergründig bleibt, dafür aber Matthieu Michel weit nach vorn kommt – im Vergleich: die Aufnahme „Ethics“ von 2010 ist, um einige elektronische Raffinessen angereichert, eher opulent. Wer es also kräftig will, kann sich bei der „alten“ Aufnahme nochmal umtun.
Diese hier besticht im Umkehrschluss durch Ruhe und Atmosphäre – auf ihr gibt es vier herausragende Stücke. In denen scheint das Elektronische zurückgefahren, sieht man davon ab, wie Aarset den Hintergrund mit seiner Gitarre ausfüllt. Gleich in „Back from The Moon“ bringt er den Hintergrund zum Schwingen. Vor dem entfalten sich Schlagzeug und Miyazakas Koto. Das Flügelhorn von Matthieu Michel spielt Klartext – mit schöner Deutlichkeit und über einer einfachen und schönen Melodie – mit leichter Steigerung der Dynamik. In Steigerung von Spannung und Atmosphäre ähnlich das Stück „Off The Coast“. Aarset füllt auch hier erstmal „nur“ den Hintergrund aus. Miyazaka und Benita mit Garcia am Schlagzeug geben den Puls vor für den klaren Ton von Michel am Flügelhorn. In „Toonari“ ist es wieder Aarset, der eröffnet.
jazzalben des jahres
Michel Benita River Silver
Released: 15/01/2016
Label: ecmrecords
Michel Benita (b), Matthieu Michel (tp), Mieko Miyazaki (koto), Eivind Aarset (g), Philippe Garcia (dr)
Nik Bärtsch – Continuum
Released: 18/03/2016
Label: ecmrecords
Nik Bärtsch (p), Sha (cl), Kaspar Rast (dr), Nicolas Stocker (dr), Etienne Abelin (vio), Ola Sendecki (vio), David Schnee (vio), Solme Hong (ce), Ambrosius Huber (ce)
JD Allen – Americana
Released: 10/X/2016
Label: Savant
JD Allen (sax), Gregg August (b), Rudy Royston (dr)
jazzalben die in keiner sammlung fehlen dürfen
Jazz Albums 2016 – nicht nur Jazz
Will Calhoun – Celebrating Elvin Jones
Released: 19/05/2016
Label: Motéma Music
Matt Ridley Quartet – Metta
Released: 26/02/2016
Label: Produced by Matt Ridley
Homepage
Scott Kinsey – Near Life Experience
Released: 26/05/2016
Label: Abstract Kinseys
Homepage
Matthew Halsall – On the Go
Released: 20/5/2016
Label: Gondwana Records
Hompage
David Bowie – Blackstar
David Helbrock – Into the Mystic
So oder ähnlich habe ich mir das vorgestellt. Wedding, Stahlrahmendachkonstruktion und Plüsch und Werkzeug von den Decken … vor dem Eingang wird man von vierzehnjährigen Halbstarken angemacht. In der Panke schwimmen die Reste einer Tatortaufnahme der ARD. In dieser Halle geben sie regelmäßig Klassikkonzerte. Das ist der Piano Salon Christophori am Pankeufer im Wedding von Berlin.
Na, zu viel versprochen?, fragte ich. Doch, doch, großartig, die Antwort, was soviel heißt wie, ich brauch nicht erklären, warum es großartig war.
Wer Worte wie Feuerwerk oder Bilderwelt oder Tanz und Spiel nicht mehr hören kann … vor allem der Schlagzeuger … Ja, sage ich, und ich fand den Bassisten großartig, mit Fingersatz! … ganz schön cool, nicht wahr? Ja, das reinste Feuerwerk an der Panke, diesmal. Gemischtes Publikum. Jung bis seniorisch. Auf diesem Bild eher seniorisch, aber links von uns viele junge Leute … das haben sie verdient. Die Leute wie die Musiker! Der Mann hier vorne mit/ohne Haaren … war ziemlich stürmisch manchmal im Mitgehen. Da wackelte der Saal.
Es begann mit Beethoovens Siebter Sinfonie, Satz zwei, wie auf der CD.
Das auf der CD folgende Soul kam später … ich habe das jetzt nicht mitgeschrieben … bin kein Journalist, sondern Kulturkonsument und ab und zu versuche ich in Worte zu fassen, was sich nicht in Worte fassen lässt. Das war mein Gedanke, den ganzen Abend über. Musik ist und bleibt eine eigene Sprache. Hier braucht man keinen Adorno, um zu verstehen. Hier braucht man nicht mal Klavier- Bass oder Schlagzeugunterricht genommen zu haben, um zu sehen, dass die drei sehr passioniert sind, sehr gut aufeinander abgestimmt, und alles, was die CD versprochen hat, wurde geliefert. Drängend, schiebend, melodisch, mit schönen Übergängen von getragener Melodie in den Samba … von den gedrückten und komprimierten Momenten in die Improvisation, die freie Bewegung und Atonalität … und neben mir rundum erfreute Gesichter.
Ich weiß nicht mehr, wie und wo sie meine Wege das erste Mal kreuzten. Es geht im Verorten der Künstler manchmal nur noch mit Zufallsgenerator – um so glücklicher ist man, wenn die Wünschelrute einmal mehr ausschlägt und anzeigt, dass es sich lohnt, gewohnte Pfade zu verlassen. Und jetzt, da das Helbrock Trio im renommierten ACT-Label untergekommen ist, bleibt zu hoffen, dass sie ihrer Passion und ihrem Ideenreichtum noch viele Stunden große Musik anhängen.
Kurzes Wort zu Bass und Schlagzeug. Die kleine Bassukele von Raphael Preuschl gepielt, lässt in keiner Sekunde ein Kontrabass oder ein Elektrobass vermissen, im Gegenteil, er holt aus dieser kleinen Ukele die ganze Breite heraus und besonders imponierend, mit welcher Ruhe er zwischen Klavier und Schlagzeug seinen Part spielt. Es zahlen sich jahrelange Abstimmung aus, fast blind scheint er durch Bassläufe und Arpeggien zu gleiten … jederzeit in der Lage, Rhythmus- und Tempowechsel mitzugehen, sie auch zu beschleunigen, sie mit starkem Ton zu verschärfen. Ein sitzender Charles Mingus mit der Ausstrahlung eines technisch versierten aber immer dynamischen und hellwachen und ruhenden Pols – um den die Töne (Klavier) und die Schläge (Drums) herumkreisen und wirbeln.
Und man, kaum dass das Konzert begonnen hat, schon wieder an der Panke steht.
Reinhold Schmölzer / drums. Mir schon immer ein Rätsel, wie Schlagzeuger aus diesen paar Scheiben und seiner Bassdrum einen solchen Wirbel erzeugen können, im gleichen Moment. Allein seine Wechsel vom Knöchel der Hand zum Snear des Besens über das Antippen der Becken, das Ziehen oder Schieben übers Fell – ich ertappte mich dabei, wie ich das Quietschen aus dem Flügel vermutet hätte, es aber Schmölzers Werk war. Muss schon sagen. Ebenfalls Toll! Einfach super!
The World needs more Heroes, hieß eins der Stücke (glaube ich). Seit Dienstag letzter Woche wissen wir, dass derzeit vielleicht zu viele Heroes den Planeten zu beglücken versuchen, nun. Die Heroes hier seien aus der griechischen Mythologie. Sie umreisen die Welt und kommen zurück, um es ihren Daheimgebliebenen zu erzählen. Die Odyssee vielleicht? Der Homer, den es nie gab? Oder einfach nur diese drei Heroes ihrer Instrumente, die über den Abend verteilt so viele Geschichten erzählen, dass neunzig Minuten plus zwei Zugaben im Flug vergehen.
Die ARD scheint ihre Utensilien inzwischen an die Spree verlagert zu haben. Die pöbelnden Jugendlichen haben sich verzogen. Die schweigende Nacht. Am U-Bahnsteig trifft man einige der Zuschauer wieder. Und, zu viel versprochen? Nein, großartig. Einfach nur gut. Wie sagt man dazu? Ein Feuerwerk des Jazz unter der Mütze. Ja. Ein Feuer, ein Werk, eine Halle und rundum zufriedene Leute. Habe überhaupt nicht gemerkt, wie die Zeit verging. So kann Geschichtenerzählen auch sein. In einer vollkommen anderen Sprache. Gerne nochmal!
Avishai Cohen – Into the Silence
Jeff Buckley –
Jeff Buckley, gerade mal 30 geworden. Sohn des Singersongwriter Tim Buckley (der an einer Überdosis starb) – aufgewachsen bei seiner Mutter, der Pianistin Mary Guibert. Zu Lebzeiten produzierte er nur ein Studio-Album: „Grace“ – sein Opus Magnum, an dem auch Karl Berger als Arrangeur mitmischte. Aufmerksam machte mich damals Radio4You auf diese vier Oktaven umspannende Stimme. Bis an die Schmerzgrenze treibt er sie im Stück „Grace“, von dem hier nun neben etlichen Coverversionen eine akustische Version vorliegt.
Die akustischen Aufnahmen beziehen ihren Reiz aus der überwältigenden Stimme Jeff Buckleys. Ob er weich klingt im Selbstgespräch von „Dream of You and I“ oder experimentell und extrovertiert auf Led Zeppelins „The Night Flight“ – wenn man den Song „Grace“ nochmal vergleicht – einmal in der akustischen, einmal auf der Aufnahme im Arrangement mit Karl Berger Grace – es bleibt unverwechselbar. Lässt man sich noch auf sein Gitarrenspiel ein, wird deutlich, warum Coldplay, Radiohead oder Courtney Love ihn als Inspirationsquelle bezeichnen. Um den Kreis zu schließen: Buckleys Inspirationsquellen heißen Robert Plant, Morrissey von The Smiths, Alex Chilton, Freddie Mercury, Nina Simone, Judy Garland. Eine mehr als anspruchsvolle Auswahl.
Diese rein Akustische Aufnahme nun vor dem Hintergrund des orchestralen und wuchtigen „Grace“ eine Vorab-Position. Es sind Demo-Aufnahmen noch vor der Veröffentlichung von Grace.
Der Guardian sieht es anders – Another unnecessary posthumous release ( Jazzalben 2016 – nicht nur Jazz )
Olivier Le Goas with Nir Felder – Reciprocity
Released: 10/09/2016
Label: Neuklang
Nir Felder (g), Kevin Hays (p), Phil Donkin (b), Olivier Le Goas (dr)
Logan Richardson – Shift
Released: 26/02/2016
Label: Blue Note
Wolfgang Muthspiel Rising Grace
Released: 28/10/2016
Label: ecmrecords
Tomas Sauter – Mind Reader
Released: 10/5/2016
Label: Catwalk
Ralph Alessi (tp), Luzius Schuler (p), Tomas Sauter (b), Dominik Burkhalter (dr)
Charlie Hunter – Everybody Has a Plan Until They Get Punched in the Mouth
Released: 10/7/2016
Label: GroundUP
Charlie Hunter (g), Bobby Previte (dr), Curtis Fowlkes (tromb), Kirk Knuffke (tp)
Shabaka Hutchings (sax), Mthunzi Mvubu (sax), Mandla Mlangeni (tp), Siyabonga Mthembu (voc), Nduduzo Makhathini (p), Ariel Zamonsky (b), Gontse Makhene (perc), Tumi Mogorosi (dr)
Jazz Albums 2016 – nicht nur Jazz Professionals:
The Telegraph The best Jazzalbums 2016 Observer the best Jazzalbums 2016 Jazzwisemagazin Stereogum
Die Empfehlungen wie immer nur ein Auszug aus der Fülle an Veröffentlichungen: