Modern Church Groove
Modern Church Groove
Alles Perfomance pur, alles entweder oder, alles auf eine Karte und schnell weg oder noch höher, noch schneller, noch weiter, vier Tage gibt es im Jahr um Ostern herum, die mir seit Jahren so etwas wie Entschleunigung versprechen, obwohl auch sie fortwährend, wie in den letzten Jahren zu spüren, Leistung, Leistung, Fleiß und Leistung fordern. Am Ende des ersten Quartals – alles scheint sich wie aus heiterem Himmel seiner Religiösität zu erinnern und macht auf heilig, unschuldig, fromm und gandenvoll – die salbungsvollen Reden kommen von den Kanzeln herunter wie Schwärme von Moral und Verzagen, es entweichen die pathetischen Begriffe wie Spatzen ihren Mundhöhlen, du siehst oder hörst die Matthäus Passion zum wievielten Mal – und fragst dich einmal mehr: wann wird das alles einmal still.
Nichts wird still, es sei denn … wenn ich im Netz suche nach Jazz und Ostern … werde ich ausgeliefert – da ist so gar keine Konsistenz oder tatsächliche Osterfreude zu erkennen, sondern fortwährendes vokales Dauerreden und Ei(n)erlei – schau selbst nach Easter Jazz oder nach Jazz und Ostern – der reinste Promotion-Gag. Muss man denn alles“ in Anführungsstriche setzen“ oder kursiv?
Wer diesem Blog schon länger seine Aufmerksamkeit schenkt, wird wissen, dass es immer zu Ostern, sprich zu Karfreitag, zum Zusammenbruch der Seele kommt beim Hören von Ton Koopmans Matthäuspassion, das ist eine aus der Jugend zugespielte Unsitte – da wurde gern gestritten, ob die Johannes- die Matthäuspassion übertrifft – der Profi (der Pastor) entschied sich für die Johannes-Passion, der Laie (mein Vater) für die Matthäuspassion – das ist die mit den Engelsstimmen (wir Kinder) und dem famosen Schlussschor „Wir setzen uns mit Tränen nieder“ (die Mutter) und der Stimme Jesu im Streit mit dem Erzähler – Oh Haupt voll Sünden – was sind das Choräle – wie modernistisch Koopman die barocke Anlage erklingen lässt – oder ist das etwa noch barocker als barock – in dieser fantastischen Akustik der St. Joris Church, Amersfoort, Netherlands
Was Johann Sebastian Bach dort zusammengeschrieben hat, dachte ich einmal, ist das wohl schönste Musikgewölbe zwischen Mensch und unbekannter Gottgröße, nicht zu greifen, geschweige zu begreifen – menschlich erzeugte Größe, in Umkehrrelation heißt das: eine Erzählung über die Musik an sich und über das Geschehen auf Golgatha – vergessen wir nicht, wie unterschiedlich dies interpretiert werden kann – allein die Judas-Passage – da erst der Verrat den Tod Jesu bedingt – auf dass er auferstehe – der Sinn der Auferstehung sich dem Verrat unterwirft : oder unterwirft sich der Verrat der Auferstehung?
Auf dem Weg dessen das Leid in der Erzählung [über die Musik von Johann Sebastian Bach] – einig werden kann man sich über die Stimmen dieser Aufführung – Klaus Mertens, Bogna Bartosz, Jörg Dürmüller als Evangelist, Paul Agnew, Cornelia Samuelis – dachte ich – bis mir der Verriss im Rondo von Michael Wersin unterkam – da weiß ich nun nicht, was entsetzlicher ist – der Verriss oder meine Überzeugung, es handele sich um eine mehr als interessante Inszenierung.
Ich höre ja nicht das Entsetzliche, das Wersin hört, sondern das, was in der Musik selbst angelegt ist – mit verstimmten Flöten, mit verpassten Tönen, ja, doch – auch die abhanden kommende Präzision, es ist dies ein Live-Mitschnitt, nicht wahr – mit handwerklichen Unpässlichkeiten, die im Kontext der Judas Verrats-Geschichte allzu menschlich wirken – wie die Geschichte um die Kreuzigung und Auferstehung, genau betrachtet, keiner Wahrheitsfindung standhalten kann.
Allgegenwärtiges: Mensch und Sinne sind nicht etwa seelenverwandt im religiösen Sinn, sondern Partner des Geistes, des Verstandes, der Vernunft gleichermaßen und benötigen auch jenes Schauern, Schütteln und meinetwegen Gruseln, Grauseln und Auseinanderfallen zum Stillstandstag, dem Karfreitag – dem die wenigen freien Tage des Jahres folgen – da man auch mal zwei Aufnahmen gegeneinander ausspielen kann – ich die Worte Michael Wersins über Ton Koopman genau so gut über die Aufnahme von Simon Rattle legen könnte – ich betone könnte [kursiv geschrieben] nicht die Matthäus Passion erscheint mir monumental, die Simon Rattle Inszenierung ist es – sehr stark ins Volumen geführt.
Die Inszenierung von Van Veldhoven dagegen:
mein persönliches Fazit: die Ton Koopman Aufnahme von 2005 ist der von1993 vorzuziehen – gerade wegen der Brüche, der Ungereimtheiten, der scheinbar falschen Töne in 2005 – was auch auf die Akustik rückführbar ist – je präziser und perfektionistischer eine Inszenierung sein will, desto größer der Abstand zwischen Publikum und Bühne – die Aufnahme von 2005 dagegen besticht durch ihre innere Fragilität – sie führt mitten ins Geschehen : jeder schiefe Ton führt näher ans Geschehen heran und steigert das Schaudern – bei den perfektionistischen Inszenierungen dagegen bleibe ich distanziert – und werde kaum überrascht oder erfasst.
herauszuarbeiten wäre: die jazzigen Anteile – in nahezu jeder Arie der 2005er Aufnahme schwingt es gewaltig – ein weiterer Lakmustest: „so ist mein jesus nun gegangen“ mit anschließendem Blitzen und Donnern – das ist auf der 2005er Aufnahme von Koopman so mit das dramaturgisch Überzeugendste, was ich bis dato hörte zu dieser Passage : überhaupt: die Cello- und Kontrabassmomente über die Gesamtaufnahme verteilt : famos.
Ich wollte ja nicht abzielen auf die unterschiedlichen Spielarten – sondern anregen: Die Erweiterung der Kirchenräume um ihre Musikräume – in die auch der Jazz einkehrt – ob das wider die Säkularisierung geschieht oder durch sie – wäre ein weiterer Aspekt, eine andere Frage – wäre ein Buch. Ist das ein Buch? Es wurde zum Buch : siehe Buch.
BUCHTIPP Jazz und Spiritualität
– wenn Musik zur Religion wird * Uwe Steinmetz NDR KULTUR Mediathek
Jazz zwischen Nachtclub und Himmel – Lebenszeichen | 29. März 2024, 08.30 – 09.00 Uhr | WDR 3 Lebenszeichen | 29. März 2024, 11.30 – 12.00 Uhr | WDR 5
Modern Church Groove Jazz goes to – ausbaufähig
– kann man machen, dachte ich im Ohrensessel, allein, mir fehlt es an Zeit
– mal sehen ob das trägt (Feature in Vorbereitung Jazz zu Ostern)
Die religiös-spirituelle Dimension des Jazz * John Coltrane Church
Das XJAZZ Festival in der Emmauskirche
Weitererzählen mit eigener Stimme * Jazz als utopische Musik * dass Jazz etwas zu sagen hat, eine Geschichte, eine Erzählung, eine Fügung * was ein Glück, wenn zwei oder drei sich treffen * Jazz weitet die Räume * bring die Kirche in den Club * die Musik ist in der Erde, in der Luft, im Himmel. * Herbie Hancock: Spiritueller Friedensstifter des Jazz * In der Church Of John Coltrane in San Francisco hat man einen Musiker zum Heiligen erklärt. Die „hippste Kirche überhaupt“, urteilte die New York Times. Dem Jazz von Ernst Jandl verpflichtet
Und bedenke noch: Am Anfang war das Wort.
Wer nun [umsonst] darauf wartet, dass ich zu erklären beginne, wo die Musik aufhört und wo das Leiden beginnt – ist in jeder Güteklase zwischen Zweifel Glauben Glück und Bedauern in der Matthäus Passion bestens aufgehoben – Am Karfreitag ist es erlaubt, sie zu hören.
Sucherfolge
Durch Jazz den Heiligen Geist erfahren
Rain Sultanov – Father Jack Herrera
Karol Beffa Elder Jack Ward
Jazz at St. James‘
Jazz und Kirche Blue Church
John McLaughlin
Funk is my Religion
Joachim Kühn: „Ich brauche keine Religion“
Idris Ackamoor Jazz Is My Religion
Johann Sebastian Bach
Barbara Dennerlein
Maria Faust
George Gruntz
Moritz Götzen Trio
Uwe Steinmetz, Daniel Stickan
29.03.2024 19:00 Neue Kirche Albisrieden, Ginsterstrasse 50, Zürich
Jazz-Gottesdienst an Karfreitag in der Jazzkirche Zürich
Simon Wyrsch (Klarinette)
Adrian Frey (Piano)
Tony Renold (Drums)
Martin Scheidegger (Wort und Musik)
bluechurch.ch