Jazzalben 2018 ein Rückblick
Jazzalben 2018 ein Rückblick –
Ja, ich höre Jazz, nicht nur … sondern auch. Damit man mich nicht für out of passion hält. Draußen werden Kämpfe geführt ums wer dies, wer das und welche Schublade welchem Deckel. Ausdrücklich beschämende Debatten: guck es dir im Jazz doch an … Beispiel: der Frauenanteil. Wenn du so willst: ein Proporz, eine Konkurrenz … um die Plätze – die Töne.
Wir verlinken hierhin (paywall): https://www.zeit.de/2016/24/schaffhauser-jazzfestival-schweiz-frauen.
Und zur Aufnahme aus der Schweiz von Antoine Courvoisier: Zur Website
Will sagen: ist nicht alles so dolle, was Mann von sich gibt. Zum Beispiel, wenn es um Jazz geht. Wir hatten das Jazzfest Berlin. Es soll ein großes Jazzfest sein, das noch immer bedeutendste Deutschlands. Das Jazzfest Berlin – dagegen die Jazzfestivals im deutschsprachigen Raum.
Lese einen Kommentar zum Berliner Jazzfest:
„Die Genderdebatte hat auch das nach wie vor bedeutendste deutsche Jazzfestival erfasst.“ Der Artikel von Name rausgenommen, ist nicht mehr aufzufinden – gut lesbar, wie sich Moral anfühlt, wenn man sie gegen andere richtet. Bumerangeffekt.
Weiße verstehen nichts von Jazz
Lang und breit wird über den wohl dramatischsten Wechsel an der Spitze des Berliner Jazz palavert – weil nun eine Frau das Jazzfestival Berlin leitet – selten lächerlich und grantig – keine zwei Absätze später dann auch noch Amiri Bakara als Antisemit, als misogyn und als homophob dargestellt wird. Solange es also keine Feindbilder gibt, gibt es auch nichts zu schreiben? (Ich habe das Unsägliche jetzt rausgenommen)
Zum Jazzfest nur so viel:
Ich war im Abschlusskonzert, es saßen sehr viele weiße Männer im Saal und ich schlief fast ein – das hat damit zu tun, dass auch weiße Männer nicht jünger werden, wenn sie alt werden und auch nicht weise, wenn sie weiß sind, aber eben doch moralisch, weil sie sich auf der moralisch geläuterten Seite wähnen.
Ich verspüre Haltung, im Gewand eines Predigers. Sie führt nichts Fehlerhaftes oder spezifisch Männliches im Schilde. Sie ist etwas betulich, etwas verjährt – trotzdem auch gegendert. Mit der ‚Geht gar nicht Keule‘ wird Amiri Baraka und auch der Baraka zitierende Kurator aus Kamerun überzogen. Der Autor ist moralisch auf der geläuterten Seite. Es geht nicht nur um Jazz, denn der ist auch noch politisch geworden.
Politisch werden heißt moralisch werden. Und überheblich. Die Fehler begehen immer die anderen. Gleich auch verdrängt, in welcher Zeit das gesagt wurde. 50 Jahre her. Da galt Baraka noch als Autor und Bürgerrechtler und zentrale Figur der Black Power Bewegung, heute ist er homophob und misogyn und antisemitisch. Es gilt nicht mal mehr die Unschuldsvermutung. Eher gilt: von jetzt an hier. Es gilt das Jetzt. Dieses Hier und Jetzt ist von der Genderdebatte erfasst, da muss der Jazz jetzt durch.
Welcome Tomorrow „Der europäische Jazz hat sich vom amerikanischen Jazz emanzipiert.“
Wer hat das gesagt? Ist das wichtig? Das hörte ich im Jazzradio, leichtfüßig daher geplaudert.
Wer ist emanzipiert? Wie sie hier so rumrumoren, die Gefangenen der Big Five AAAFM … kommt auf den Standpunkt an. Dissonanz als Programm. Kultur ist nicht, was du erwartest von ihr, sondern eine Sache, die du dir angenehm machst. Oder eben nicht.
… der Europäische Jazz habe sich vom Amerikanischen emanzipiert.
Die hier sind so emanzipiert, es gibt geschätzt 300 von ihnen, die von ihrer Musik leben können.
Nice to hear you. Nice to see you. It’s a pleasure for me.
Eine Vermittlungsfrage nur? Wie kommt der Jazz zurück auf die Straße, zu den Leuten, ins Haus, in die Ohren. Hört ihr nicht, was für gute Musiker und Musikerinnen sie sind. Allenthalben. Ich puste das hier auf den Blog und es interessiert vier von tausend.
Was ein emanzipiertes Land, was eine sexy Stadt.
Die Message in the Bottle ist von Police, Marcin Wasilewski kommt aus Polen, ist bei ECM Stammgast und hat eine schöne Liveaufnahme rausgebracht – dieses Jahr. Piano: Marcin Wasilewski, Double Bass: Slawomir Kurkiewicz, Drums: Michal Miskiewicz. Doppelt europäisch sozusagen, mit Samba-Anleihen aus Brasilien. Was sich ebenfalls gewiss emanzipiert hat. Lassen wir das.
Ich wollte dieses Jahr den Preis der Deutschen Schallplattenkritik wieder einbauen. Ich bin die Listen durchgegangen und war mehr oder weniger erschrocken. In der Sparte Jazz haben sie aus von mir geschätzt über 400 gehörten Artikeln (allein in 2018, JA!) gerade mal sieben, in Buchstaben 7! herausgefunden, die preisverdächtig sind, darunter einen Selfpublisher. Was hört ihr denn so?
Die sieben 7! von Kritikern als preisverdächtig gesichteten Jazzalben haben jeweils ein Cover und sind jeweils durchaus hörbar. Die Brad Mehldau Aufnahme ist eine feine Aufnahme geworden, interessiert nur niemanden?
Der amerikanische Jazz brauchte sich nicht emanzipieren, weil er schon immer Jazz war. Was so auch nicht stimmt. Lassen wir das. Es sind nur Sätze. Altes interkontinentales und bilaterales Gejazze. Er schreibt es auf amerikanischen Schreibmaschinen, wo Huawei drauf steht.
Zur Orientierung. Das Jahr 2018 ist durch, ich fahre in Urlaub. Vorher wollte ich loswerden, was es für ein grandioses Jahr war. Warum nur gibt es nicht viel mehr Jazzliebhaberinnen? Nun, es gibt neben dem Jazz auch sehr interessante andere Aufnahmen, durchaus:
Jazzalben 2018 ein Rückblick
Zum Thema Jazzneuheiten konnte ich dieses Jahr nicht wirklich viel beitragen. Ich war auf vier Konzerten und habe mich mit diversen Streamingdiensten rumgeschlagen. Ich suche gern auf allaboutjazz, blicke mir hin und wieder die Newsweekcharts an und verliere hin und wieder einen Bick auf der Seite des Downbeat. Auch (https://www.jazzthing.de/, http://jazzjournal.co.uk/ und Universal und Jazzzeitung.
Brad Mehldau, ‘Seymor Reads the Constitution’
Hörbeispiel auf Youtube
Mehldau wieder fast bei seinen Songs … der eigene Anschlag, die eigene Linienführung auf Links, die Arpeggien geführten Melodien, das bisschen Traurigkeit und doch eine große Leichtigkeit in allen Titeln, mit Temposteigerung und den typischen atonalen Momenten, mal wieder feinsinnigen Kompositionen.
Saxophon, Gitarre, Akkordeon und Gesang schaffen eine poetisch idyllische Atmosphäre. Im Einklang oder allein wandern sie, ein wenig wie die menschliche Seele. Machen ihren Weg, improvisieren und treffen sich. Weich und stark, eine Introspektion.
The Other Side Of Air by Myra Melford’s Snowy Egret
John Raymond, ‘Joy Ride’Gitarre Schlagzeug, Bass und Horn. Schlichtweg sehr relaxed, sehr stimmig und stimmungsvoll.
Die NYTimes: „Sie können leicht eine Verbindung zwischen dem mutigen, wandernden Klang dieser akustischen Combo und dem Zustand unserer gefährdeten natürlichen Welt hören.“
Wie du der Sammlung ansiehst (die nur eine Andeutung ist von eindeutiger Sammlung): ich suche eine lesbare Wegbeschreibung, einen Fährtensucher, bin im Wald der Bäume, sämtliche Wegweiser Marke Selbstschnitt. Schlagwort Neuerscheinungen Jazz gibt mir garantiert Amazon, Universal Music oder WDR und Deutschlandfunk bekannt, das hat sich dort nun auch wieder aufgeteilt: Jazz Live, Jazz Facts, Milesstones. (kann mir einer verraten, was das soll?) Worauf ich hinaus will:
Die Webseiten und Hinweise sind nur Applikation einer Realität, die sich mir zunehmend verschließt: gehe ich keine drei Straßenzüge weiter, in die Dirksenstraße zum Beispiel, zum B-Flat, erkenne auf deren Spielplan nicht einen, der den Vorschlägen von Universalmusic, Amazon oder dem Deutschlandfunk entspricht, sondern einer ganz eigenen Logik folgt (welcher?). Gehe ich in eins der Clubs, ins A-Trane in der Bleibtreustraße oder ins Donau 115 der Donaustraße … ja, live ist das alles ganz etwas anderes.
Das Jazzfest im Wohnzimmer
Es kann auch nach hinten losgehen, wie beim Besuch von Bill Frisell anlässlich des Jazzfestes Berlin (dazu wollte ich einen Artikel verfassen – von der verpassten Chance und der nahezu sinnfreien Versuchsreihe, etwas so Komplexes und Individuelles wie Musikgeschmack zu institutionalisieren – wie man nun dazu kommt, das Jazzfest Berlin als großes Festival zu bezeichnen, war mir immer ein Rätsel, nach dem diesjährigen Festival wieder.
Ob das eine Frau leitet oder ein Mann – kann es nicht mehr hören – warum etwas Selbstverständliches nicht als selbstverständlich annehmen, möchte ich rufen, allein, es scheint eben nicht selbstverständlich zu sein, so weit zurück sind wir.
Eine sich selbst therapierende Prophezeiung, eine sich selbst verabschiedende Therapie – die Vermittlungsebenen, die Zirkel, die Steuerungs- und Deutungshoheit besitzen – (durchweg institutionalisiert?) Im Sinn der Auserwählten, Erlesenen oder Avantgarden etwa? Ich beim Konzert von Bill Frisell in seinem Wohnzimmer fast eingeschlafen wäre. Berlin hat inzwischen (zum Glück) ein weiteres Festival: im Mai des Jahres dann wieder beim XJazz: more Infos coming soon! Heißt es auf der Website.)
So viel fürs Jahr, es kam so einiges zusammen.
Zusammenfassung:
Der Autor wird munter beim Satz:
„Der europäische Jazz hat sich vom amerikanischen Jazz emanzipiert.“
und versucht eine Abschiedsnotiz zum Jahr 2018 zu verfassen. Er gibt ein paar Tipps und Hinweise zu guten Aufnahmen!
Wer will, kann hier nochmal einsteigen: http://www.jazzwisemagazine.com/artists/15101-top-20-jazz-albums-of-2018 Gegen die Liste gibt es nichts einzuwenden. Die Liste der … New York Times – ebenfalls erlesen.
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