Jazz Albums Mai 2022
Jazz Albums Mai 2022 | 02.06.2022
Im Mai setzen sich die großen Namen durch, von Mary Halvorson über Gilad Hekselman und Nduduzo Makhathini und so viele mehr: (shabaka, scott hamilton, bireli lagrene, gas lab, ark noir, eabs, thomas bartlett, joey alexander und und und … the bad plus, theo croker, enrico pieranunzi, avishai cohen (b), binker golding – charles lloyd ist regelmäßig dabei) – erst die Single-Auskopplung, dann das ganze Werk, längst überboten durch weitere Single-Auskopplungen
Das Geschäft wird kurzlebiger, unübersichtlicher und aber vielfältiger, es bleibt interessant.
Das Prinzip Zufall entscheidet über die Zuordnungen, die Medien selbst überbieten sich, Namen, Namen, Namen, das letztlich verbleibende Zuordnungskriterium, Namen als Kategorie, Namen als Wegweiser, müßig, da noch von Qualitätsanspruch oder avantgardistischer Haltung oder gar von Jazzpolizei zu sprechen – katapultiert man sich doch zusehends ins Abseits, da es für jeden Anspruch mehr als genug gibt, ja, du kommst nicht hinterher.
Sich eine Aufnahme konzentriert anhören sich anfühlt wie das Komponieren selbst, wie das Schreiben an einem Theaterstück, und vermeide dabei die Konventionen oder die Tagesthemen, stochere nicht im Zeitgeist herum, er überholt dich eh, du bist wie immer zu langsam, Jazz auf Zuruf, zwischen Tür und Angel, was ist dein Lieblingsbuch? Nun, das, was ich nicht wiederfinde, da ich es verliehen habe.
Kannst du mir dein Ohr leihen, ich habe nur meins frei.
Du kannst irgendetwas in die Mitte stellen, auch das wird Peripherie, frag mich etwas Leichteres, kannst mir gern etwas abgeben von deinem fröhlichen Glauben, von deinen kulturellen Verkleidungen, von deiner Narrensicherheit, deinem guten Geschmack und deinem virtuosen Mitschnippen mit den Fingern, kurzum, deine Mitteilungen sind eh nicht überzeugend, sie erzählen immer etwas, was andere auch schon erzählt haben, so klingt doch alles wieder und wieder nach Arrangement und Zauberei um diese Säulenheiligen der Komposition.
Mach nur keine längeren Absätze, ein Stück länger als sechs Minuten muss schon mehr als zwei Romane erzählen.
Kann mir mal jemand verraten, was so interessant sein soll … an Wittgenstein … lies doch mal seine Sprachstolpersteine, wenn es um Musik geht – da kommen Sätze vor wie: „Wir unterscheiden den Ernst von allem was man Benehmen nennen könnte. Als etwas Inneres von etwas Äußerem.“ Oder :“Oder ist, einen Satz im Ernst meinen etwas Ähnliches wie, Magenschmerzen haben, während man ihn ausspricht.“ Humor wird er gehabt haben, der ach so Unangenehme.
Der Satz bei Wittgenstein ist immer auch denkbar als Satz in einer Komposition von Bach, Beethoven oder Brahms, jeder Satz sollte also ein Verstehen freisetzen analog dem Verstehen einer Melodie als Melodie. O-Ton Wittgenstein. Es war längst überfällig, mir das klarzumachen: „Dass du das Klavierspiel meintest, bestand darin, dass du ans Klavierspiel dachtest.“ Wir hatten es: die Passion in den Worten folgt nicht selten einer inneren Melodie. Und so schreiben wir die Komposition weiter, mit anderen Worten.
Worte können also auch so etwas abbilden wie Musik, wenn sie einer inneren Rhythmik folgen oder sich aus dem Einerlei der Sätze abheben durch ihren Sound.
Dem gegenüber stehen die Gefälligkeitsmodelle – was bei dem einen zum rechten Ohr reingeht, zum anderen hinaus, als Bild für Durchzug oder Durchlüftung des Gehirns, geht bei dem anderen immer schön auf den Schlussakkord hinaus, Friede im Gefecht. Tänzeln im Gemüt. Und wäre Musik nicht, wir würden uns mit Messer und Gabel bekämpfen, stattdessen agieren wir mit Löffeln, da andere uns mit Kanonen gegenüber stehen –
Es wirkt eigenartig, wenn du als wortschöpfend oder musikmachend in Gedenken an etwas deine Aussagen setzt oder deine Botschaften verteilst, wo doch alles auf dem Spiel steht jedes Mal von Neuem, da wir nun schon im dritten Monat der Barbarei unterwegs sind, eine Operndiva um ihren Ruf fürchtet, ein Saxophonist darum, auf der falschen Seite der Geschichte wach zu werden, Bassisten Bassisten Vorwürfe machen und das Klavier sich einfach nicht leise stellen lässt, da schon wieder sphärische Klänge ertönen, als wollten wir nur noch eins: weg von diesem Planeten, der uns kaputtgeschossen wird von denen, die behaupten, sie hätten ein Anrecht auf Missachtung von Konventionen.
Wenn Kunst Kultur und Musik zum Understatement wird und sich die Hand reicht im Behütetsein und im Rechthaben. Der Krieg hat die deutschen Sofas erschüttert und erobert ihre Schreibtische, das Leid der Menschen wird zum akademischen Kalkül.
Die Verteidigungslinien stehen nicht etwa am Donbass oder in Luhansk, sondern werden quer über den Tisch gezeichnet, es wird eine grundsätzliche Infragestellung aller veröffentlichten Meinungsbilder eingeklagt, ohne aber zu verraten, wie das andauernde Nötigen, Erpressen und Bedrohen einmal aufhört, unter dem Deckmantel geostrategischer Rhetorik, dachten wir nicht alle, die Wirtschaft und das Wirtschaften an sich wird es schon richten,
die Kommunikation an sich sei doch schon so etwas wie Musik in sich
Jetzt soll das doch endlich aufhören, sonst hungert am Ende die Wohlstandsgesellschaft nicht mehr nach Musik, nicht nach Malerei oder einem guten Buch, sondern nach der Kartoffel, dem Weizen, dem Sonnenblumenöl, dem gefüllten Tank für den Winter. Deswegen lasst uns die weiße Fahne heben und uns der Macht des stärkeren Waffengeschiebes ergeben und uns hinlegen und auf uns rumfahren mit Vierradgetriebe. Der Jazz war nur zur Unterhaltung gedacht.
Stell dir vor, wir würden jetzt samtsonders rumsaxophonieren – wo wäre es da noch gemütlich. Lassen wir das.
Zitat Wittgenstein: „Es gibt in der Musik so etwas wie eine eindrucksvolle Phrase + wenn man so eine hört, mag man sagen: ‚diese Phrase drückt doch etwas aus.'“
Sagen wir so: es scheint, als sorgten sich Politik und Social Media um das nötige Feuer im Öl, während Kunst & Kultur & Musik mit Sanftmut und Verklärung löschen helfen sollen. Phrasen über Phrasen in H-Moll, D-Dur oder für den Regen: „Sind diese Töne denn nicht der beste Ausdruck dessen, was hier ausgedrückt werden soll?“
Jazz Albums Mai 2022
Zoh Amba
Zoh Amba featuring William Parker and Francisco Mela
Vol 1 + Vol 2, 20.05.2022
Gilad Hekselman – Far Star – Gilad Hekselman (g), Eric Harland (dr), Shai Maestro (p), Nathan Schram (vio), Oren Hardy (b), Alon Benjamini (dr), Amir Bresler (dr), Ziv Ravitz (dr)
References: Jazzview | SWR | Website
David Murray – Seriana Promethea – David Murray (sax), Brad Jones (b), Hamid Drake (dr)
References: Best of Jazz | Jazzhalo | Wikipedia
Mary Halvorson – Amarylis – Mary Halvorson (g), Patricia Brennan (vib), Nick Dunston (b), Tomas Fujiwara (dr), Jacob Garchik (tromb), Adam O’Farrill (tp)
References: Jazzalbum der Woche NDR | Pitchfork | The Guardian | Jazztrail
Amanda Whiting Lost in Abstraction – Amanda Whiting (harp), Chip Wickham (fl), Aidan Thorne (b), Jon Reynolds (dr), Baldo Verdú (perc)
References : Website
Olga Reznichenko Trio – Somnambule – Olga Reznichenko (p), Lorenz Heigenhuber (b), Maximilian Stadtfeld (dr)
References: Jazz-Fun | Label: Traumton
Ellipsis Quintet – Avoid The Void – Vasilis Nalmpantis (tp), Tomas Lukac (g), Markus Oberleitner (b), Lajos Tóth (p), Balázs Balogh (dr)
References: Website
Alex Sipiagin Ascent to the Blues – Alex Sipiagin (tp), Diego Rivera (sax), Art Hirahara (p), Boris Kozlov (b), Rudy Royston (dr)
References: Label Positone | Glidemagazin | Wikipedia | Website
Joey Alexander Origin – Joey Alexander (p), Larry Grenadier (b), Kendrick Scott (dr), Gilad Hekselman (g), Chris Potter (sax)
Claudio Scholari Project Don’t Know – Claudio Scolari (dr), Daniele Cavalca (p), Simone Scolari (tp), Michele Cavalca (b)
Robert Jukič Izza – Robert Jukič (b), Boštjan Simon (sax), Tomaž Gajšt (tp), Kristijan Krajnčan (dr), A wide variety of seeds is heard as the quartet paints vivid pictures of strength, fragility, hope, courage, joy and sadness, victory and defeat, of tragedy, absurdity and relativity of everything. (allaboutjazz)
References: Website
Jazz Albums Mai 2022 Robert Jukič V spregi. zdržema
Asaf Harris – Walk of the Ducks – Asaf Harris (sax), Yehonatan Cohen (sax), Nitzan Bar (g), Guy Moskovich (p), Omri Hadani (b), David Sirkis (dr)
References: Ubuntumanagementgroup | Eddie Myer Jazzviews
Nduduzo Makhathini In The Spirit Of Ntu – Nduduzo Makhathini (p), Linda Sikhakhane (sax), Robin Fassie Kock (tp), Dylan Tabisher (vib), Stephen de Souza (b), Gontse Makhene (perc), Dane Paris (dr).
References: Bluenote; ‘Spirit of Ntu’: Piano maestro Nduduzo Makhathini on his 10th album (The South African)
Oded Tzur Isabela – Oded Tzur (sax), Nitai Hershkovits (p), Petros Klampanis (b), Johnathan Blake (dr),
References: Oliver Hochkeppel Süddeutsche Zeitung: Meditativ musikalisch – Mikrotonalität und indische Rhythmik: Oded Tzurs Saxofonspiel reicht weit über den gängigen westlichen Horizont hinaus
Ches Smith Interpret it Well – Craig Taborn (p), Mat Maneri (vio), Bill Frisell (g), Ches Smith (dr) (vib)
References: Allaboutjazz | Best of Jazz – 06.05.2022
Aus der Abteilung große Formation Big Band
Jürgen Friedrich semi song – SEMI SONG Jürgen Friedrich Large Ensemble – Johannes Ludwig (sax), Leo Huhn (sax), Sebastian Gille (sax), Uli Kempendorff (sax), Steffen Schorn (sax), Chris Mehler (tp), Bastian Stein (tp), John-Dennis Renken (tp), Matthias Bergmann (tp), Nils Wogram (tromb), Shannon Barnett (tromb), Moritz Wesp (tromb), Jan Schreiner (tromb), Pablo Held (p), David Helm (b), Fabian Arends (dr), Jürgen Friedrich (comp)
References: Deutschlandfunk | Rondo, das Klassik&Jazz-Magazin
Nikos Chatzitsakos Tiny Big Band – Nikos Chatzitsakos (b), Born in Athens, Greece, bassist, composer, and arranger, Nikos Chatzitsakos attempts to find new ways to honor the era and connect it to other idioms. He is an award-winning musician, and has been a member of the Ralph Peterson GenNext Big Band, and leader of the Nikos Chatzitsakos “Tiny Big Band”.
Lian Zac (voc), Will Mallard (tp), Robert Mac Vega-Dowda (tp), Eric Nakanishi (sax), Art Baden (sax), Brandon Lin (tromb), Gabriel Nekrutman (sax), Gianmarco Ferri (g), Vid Jamnik (vib), Marco Birro (p), Nikos Chatzitsakos (b), Karol Zabka (dr)
References: Allaboutjazz | Couleurs Jazz | Jazzquad.ru | https://www.nikoschatzitsakos.com/store
English Version:
In May, the big names prevail, from Mary Holvorson to Gilad Hekselman to Nduduzo Makhathini and so many more: (shabaka, scott hamilton, bireli lagrene, gas lab, ark noir, eabs, thomas bartlett, joey alexander and and and … the bad plus, theo croker, enrico pieranunzi, avishai cohen (b), binker golding – charles lloyd is a regular) – first the single release, then the whole work, long since surpassed by further single releases.
The business is becoming more short-lived, more confusing and yet more diverse, it remains interesting.
The principle of chance decides on the classifications, the media themselves outbid each other, names, names, names, the remaining criterion for classification, names as categories, names as signposts, it’s pointless to talk about quality standards or avant-garde attitudes or even jazz police – you catapult yourself visibly to the sidelines, because there are more than enough for every demand, yes, you can’t keep up.
Listening to a recording in a concentrated way feels like composing yourself, like writing a play, and avoid the conventions or the topics of the day, don’t poke around in the zeitgeist, it overtakes you anyway, you’re too slow, as always, jazz on demand, between door and door, what’s your favourite book? Well, the one I can’t find again because I’ve lent it out.
Can you lend me your ear, I only have mine free.
You can put anything in the middle, that too becomes periphery, ask me something lighter, feel free to give me something of your cheerful faith, of your cultural disguises, of your foolproofness, your good taste and your virtuoso snapping along with your fingers, in short, your messages are not convincing anyway, they always tell something that others have already told, so everything sounds again and again like arrangement and sorcery around this pillar saint of composition.
Just don’t make longer paragraphs, a piece longer than six minutes must already tell more than two novels.
Can someone tell me what is supposed to be so interesting … about Wittgenstein … just read his Sprachstolpersteine when it comes to music – there are sentences like: „We distinguish seriousness from everything that could be called behaviour. As something internal from something external.“ Or: „Or, to mean a sentence seriously is something similar to having a stomach ache while saying it.“ Humour he will have had, the oh so unpleasant.
Wittgenstein’s sentence is always conceivable as a sentence in a composition by Bach, Beethoven or Brahms, so every sentence should release an understanding analogous to the understanding of a melody as melody. O-ton Wittgenstein. It was long overdue to make this clear to me: „That you meant the piano playing consisted in the fact that you thought of the piano playing.“ We had it: the passion in the words not infrequently follows an inner melody. And so we continue to write the composition, in other words.
So words can also depict something like music, if they follow an inner rhythm or stand out from the monotony of sentences through their sound.
On the other hand, there are the models of pleasantness – what goes in to the right ear and out to the other, as an image of draught or ventilation of the brain, goes out to the final chord, peace in battle. Dancing in the mind. And if it weren’t for music, we would fight each other with knives and forks, instead we act with spoons, as others face us with cannons.
It seems strange when you, as a wordsmith or music maker, make your statements or distribute your messages in memory of something, when everything is at stake every time anew, as we are now already in the third month of barbarism, an opera diva fears for her reputation, a saxophonist fears to wake up on the wrong side of history, bassists reproach bassists and the piano simply cannot be turned down, as spherical sounds are already sounding again, as if we only want one thing: Away from this planet that is being shot down by those who claim they have a right to disregard conventions.
When art becomes culture and music becomes understatement, and joins hands in being sheltered and being right. The war has shaken the German sofas and conquers their desks, the suffering of the people becomes an academic calculation.
The lines of defence are not in the Donbass or in Luhansk, but are drawn across the table, a fundamental questioning of all published opinions is claimed, but without revealing how the constant coercion, blackmailing and threatening will stop, under the guise of geostrategic rhetoric, didn’t we all think that the economy and the economy itself would take care of it,
that communication itself was something like music in itself?
Now it should finally stop, otherwise the affluent society will end up hungry not for music, not for painting or a good book, but for the potato, the wheat, the sunflower oil, the full tank for the winter. Therefore, let’s raise the white flag and surrender to the power of the stronger gun and lie down and drive around on us with four-wheel drive. The jazz was just for entertainment.
Imagine if we were now velvet saxophoning around – where would we be cosy. Let’s leave it at that.
Quote Wittgenstein: “ there is such a thing in music as an impressive phrase + when one hears such a phrase, one may say: ‚this phrase does express something.'“
Let’s put it this way: it seems that politics and social media worry about the necessary fire in the oil, while art & culture are supposed to help extinguish it with gentleness and transfiguration. Phrases about phrases in B minor
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